Ev. Kirchengemeinde St. Tönis
Eine Kirchengemeinde entsteht
Warum, denken Sie, archiviert die Evangelische Kirchengemeinde St. Tönis Veröffentlichungen über die Evangelische Gemeinde Kempen? Woher kommt der Name „St. Tönis“ und wie vollzog sich die Entwicklung zu dieser selbständigen Kirchengemeinde?
Nun, der Name St. Tönis rührt von einer Kapelle auf der Steinheide in Kempen her, die dem ägyptischen Mönch Antonius geweiht war, der in der Wüste als Einsiedler lebte und ca. 356 verstarb.
Über die Anfänge der Evangelischen in St. Tönis tappen wir noch im Dunkeln, doch die Tatsache, dass sich in Hüls während der Reformation starke evangelische Bewegungen vollzogen, lässt den Schluss zu, dass das evangelische Leben nicht unberührt davon geblieben ist.
Zu bedenken wäre auch der große Reformationsversuch des Kölner Erzbischofs Hermann von Wied um 1540 - Landesherr und geistiges Oberhaupt dieser Region. Doch seine Bemühungen hatten lediglich seine Exkommunizierung und 1547 Abdankung zur Folge.
Aber in der letzten Phase seines Reformationsversuches bestimmt eben dieser Hermann von Wied den „rheinischen Feldherrn zwischen den konfessionellen Fronten“ - einen gewissen Wilhelm von Rennenberg - zum Amtmann von Kempen. Wann genau Herr von Rennenberg seine Sympathie mit den Reformationsplänen seines Landesherrn erkennen ließ, ist nicht bekannt; für uns jedoch ist von großer Wichtigkeit, dass wohl um 1542/1543 die erste reformatorische Gemeinde in Kempen existiert haben muss; denn 57 namentlich aufgeführte pro-reformatorische Bürger genossen den absoluten Schutz des Amtmanns, dem sehr am Herzen lag, „zu Kempen das wortt gotts reine und clair zu preddigen“.
Ein mutiger Mann: Er scheute sich nicht, die katholischen Geistlichen zu kritisieren. „Un-gotlich“ geht es in den Häusern der „Pfaffen“ zu, und alles müsse eben in eine „gutte christliche ordenung und Reformacion gebracht werden“. Und so war es sicherlich ganz im Sinne von Amtmann von Rennenberg, dass Kempen mit Doctor Albert Rizaeus Hardenberg 1545 einen evangelischen (! ) Pastor erhielt.
Und 1645 verehrte immerhin „der hoch edel geborene Herr Georg Reinhardt Widerholt von Weidenhoven, fürstlich hessischer Oberster und Gouverneur zu Kempen“ der evangelischen Gemeinde einen silbervergoldeten Abendmahlskelch. Aber nach Abzug der Hessen erging es den Evangelischen schlimmer denn je. Sie verließen die Stadt. Die Folge: 1730 war Kempen wieder fast rein katholisch. Erst 1846 bildete sich erneut eine evangelische Gemeinde, die 1853 staatlich anerkannt wurde. Mit der Gründungsurkunde der Provinzial-Synode aus dem Jahre 1855 wurden dann die Evangelischen des Kempener Gebietes aus den Gemeinden Süchteln und Krefeld ausgegliedert.
Diese neue Gemeinde umfasste Aldekerk, Nieukerk, Kempen, Schmalbroich, Grefrath, Oedt, St. Tönis, Hüls und St. Hubert.
Der erste Pfarrer, schon seit 1846 in Kempen tätig, war bis 1871 Friedrich Wilhelm Greeven. In den erhaltenen Kirchenbüchern aus jener Zeit sind auch Trauungen Taufen und Sterbefälle evangelischer Gemeindeglieder aus St. Tönis verzeichnet.
Nach dem Tode Pfarrer Greevens übernahm Ernst Roeber von 1872 bis 1910 die Gemeinde.
Es war immerhin ein Gebiet von 160 Quadratkilometern mit nur (ich liebe diesen Ausdruck) etwa 200 Seelen.
Sein Nachfolger von 1910 bis 1950 war Hermann Hartke aus Fürstenau.
Man stelle sich das vor: Pfarrer Harke besuchte seine Gemeindeglieder in den einzelnen Orten von Kempen aus mit dem Fahrrad und später mit dem schon legendären dreirädrigen „Goliath“. Er hat oft drei Gottesdienste an einem Sonntag gehalten, und es gab ein Sofa bei Familie Kempfer, Schelthofer Straße in St. Tönis, auf dem er sein Nickerchen zu halten pflegte.
Die ev. Kirchengemeinde St. Tönis von 1945 bis 2003
Durch den Ausgang des zweiten Weltkrieges, als der Flüchtlingsstrom aus Ost- und Mittel-Deutschland einsetzte, wuchs die Zahl der Evangelischen enorm. Es kam soweit, dass die Betreuung der Gemeinde durch einen Pfarrer allein nicht mehr zu bewältigen war. Die Kirchenleitung schickte Missionar Erwin Jungjohann zur Unterstützung, den später nach seiner Versetzung Pfarrer Hermann Gutzeit ablöste. Aber die Teilung der Gemeinde Kempen in zwei Pfarrbezirke war unumgänglich.
Zum zweiten Pfarrbezirk der evangelischen Kirchengemeinde Kempen wurde am 1. Juli 1950 „St. Tönis/Hüls”. Und am 22. Oktober 1950 wurde Hermann Gutzeit als Pfarrer des zweiten Pfarrbezirkes durch Superintendent Bruno Weiß (Kirchenkreis Mönchengladbach) im Kino „Lichtburg“ (heute „Blumenhaus Hermes“) in sein Amt eingeführt. Er zog nach St. Tönis, und somit hatte St. Tönis einen „ortsansässigen“ Pfarrer. Und wenn auch sein Motorrad des öfteren streikte und am Straßenrand repariert werden musste - seine Gemeinde wusste: Unser Pfarrer kommt bestimmt!
Laut Protokoll vom 4. Februar 1952 wird aber schon ein Antrag an das Landeskirchenamt auf Selbständigkeit des zweiten Pfarrbezirkes gestellt. Und so lautete damals der Beschluss: „weil das, was sich organisatorisch auseinanderlebt, nicht künstlich zusammen-gehalten werden soll, ist eine Notwendigkeit der Teilung gegeben.“
Immerhin war die Zahl der Gemeindeglieder in St. Tönis auf ca. 1800 und in Hüls auf ca. 1700 angestiegen, bei einem Vertriebenenanteil von 75 bis 80%.
Am 1. Januar 1955 ist es dann soweit: Der zweite Pfarrbezirk der Gemeinde Kempen wird selbständig. Jetzt gibt es unter Pfarrer Gutzeit eine Doppelgemeinde „St. Tönis - Hüls“ mit ca. 4500 Gemeindegliedern.
Hüls verdankt seinen Namen übrigens vermutlich dem „Hülsbusch“, wie am Niederrhein die häufig vorkommende Stechpalme genannt wird.
1963 wechselte Pfarrer Gutzeit in die Gemeinde Willich, und Pfarrer Wilhelm Kloster übernahm die Doppelgemeinde „St. Tönis - Hüls“.
Im Jahre 1964 zählte St. Tönis 3500, Hüls ca. 3000 Gemeindeglieder. Für einen Pfarrer allein eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Die Überlegungen, aus der Doppelgemeinde zwei selbständige Gemeinden zu bilden, lag nahe. Nach langen Verhandlungen wurde am 1. Januar 1965 die Teilung vollzogen = St. Tönis. Unsere evangelische Kirchengemeinde wurde selbständig. Nach einem langen Weg war endlich das Ziel erreicht! Pfarrer Kloster entschied sich für die Gemeinde Hüls, betreute aber bis zum Amtsantritt von Pfarrer Norbert Friedek im Februar 1968 in St. Tönis noch beide Gemeinden.
Aber die Kirchengemeinde St. Tönis nahm stetig an Gemeindegliedern zu; die Nähe der Städte Düsseldorf und Krefeld sowie des Bergischen Landes machten St. Tönis zu einem attraktiven Lebensraum. Und dann, eines Tages, war die Anzahl der Gemeindeglieder erreicht, die eine zweite Pfarrstelle rechtfertigte: Frau Hildegard Heimbrock-Stratmann besetzte diese am 1. Februar 1978.
Und ich will Ihnen auch noch erzählen, wo der erste Tannenbaum in St. Tönis aufgestellt wurde. Diese Geschichte stammt von Frau Ilse Heyer, geb. Prasse. So ca. um 1880 lebte nämlich ihr Großvater als dritter evangelischer Bürger in St. Tönis. Er war Küfer und blieb auf seiner Wanderschaft in St. Tönis hängen. Mit seiner jungen Frau, einer St. Töniserin, wohnte er zuerst auf der Kaiserstraße, dann in der Schulstraße Nr. 8. Dieses Haus hatte damals einen Torweg - geradezu ideal, um, wie es bei ihm in Sachsen Sitte war, an Weihnachten einen Tannenbaum aufzustellen. In St. Tönis wurde zu jener Zeit lediglich Nikolaus gefeiert, Weihnachtsbäume waren unbekannt. So standen an Weihnachten die Kinder mit großen, staunenden Augen vor diesem Weihnachtsbaum und sangen – so erzählt man sich’s !
Und in dieser Evangelischen Kirchengemeinde St. Tönis leben wir heute, Sie und ich! Können Sie jetzt die anfangs gestellte Frage beantworten?
Iris Gutbrod